„Es gibt kein gutmütigeres, aber auch kein leichtgläubigeres Volk als das deutsche. Keine Lüge kann grob genug ersonnen werden, die Deutschen glauben sie. Um eine Parole, die man ihnen gab, verfolgen sie ihre Landsleute mit größerer Erbitterung als ihre wirklichen Feinde.“
Diese Worte werden Napoleon I. Bonaparte zugeschrieben und beschreiben ein offensichtlich herausstechendes Wesensmerkmal unserer Nation. Es hat den Anschein, dass sich die Deutschen dieser Geisteshaltung bis heute treu geblieben sind – nur die Parolen haben sich geändert.
Seit der Ukraine-Krise wird den Deutschen ganz besonders heftig der Kopf verdreht: die eine Seite lästert über den imperialistischen Westen, die andere über die Großrussen und der deutsche Bürger funktioniert wie an Fäden gezogen. Ein Vierteljahrhundert ohne Mauer scheint den Deutschen Phantomschmerzen zuzufügen, weswegen das Volk der Dichter und Denker nur zu gerne den Einflüsterungen aus Ost und West nachzugeben scheint und die Mauer in den Köpfen ausbaut.
Und so wird leidenschaftlich darüber gestritten, wer denn nun am Absturz des Fluges MH17 über der Ukraine Schuld hat. Doch wo sind die Gedanken an die eigenen Opfer? Der unselige Ukraine-Konflikt hat vier Einheimischen das Leben gekostet. Die Niederlande, ein guter Nachbar und unser engster Partner in der Euro-Krise, hat sogar annährend 200 Bürger verloren. Es hätte jeden von uns treffen können! Das so etwas im Europa des Jahres 2014 möglich ist, ist schrecklich und absolut beschämend.
Es unsere Pflicht als Europäer dem sinnlosen Sterben unserer europäischen Brüder und Schwestern auf dem Boden der Ukraine ein Ende zu bereiten. Wir als deutsche Europäer haben dafür zwar nicht mehr Verantwortung als andere, aber wir haben aufgrund unserer Größe und unseres Gewichts ein vergleichbar großes Einflusspotential auf die Konfliktparteien. Eine Deeskalation liegt im nationalen Interesse unseres Landes, da wir Deutschen von einem friedlichen Europa profitieren. Deswegen stellen wir Alternative uns gegen die Euro-Rettungspolitik! Deswegen müssen wir als Mittler zwischen Ost und West auftreten!
Von der Moral-Politik zur Real-Politik
Als wäre dieser Konflikt-Herd nicht schlimm genug, entwickelt sich der Nahe Osten gerade endgültig zum Schlachtfeld. Von der islamistischen Landnahme im Irak abgesehen (das Thema ISIS/IS würde den Rahmen diese Artikels sprengen), gehen einmal mehr Israelis und Palästinenser aufeinander los. Das ist für sich genommen schon bedauerlich. Doch durch die ungezügelte Einwanderung integrationsresistenter Habe- und Taugenichtse und deren Solidarisierung mit ihren Glaubensbrüdern, findet dieser Konflikt auch bei uns statt. Genau hier werden nationale Interessen berührt und nicht in der Beantwortung der moralischen Frage nach dem „Bösewicht“ oder dem Schuldigen des Krieges – analog zum Flug MH17.
Alle im Napoleonischen Sinn Gutmütigen und Leichtgläubigen seien auf Bismarck verwiesen, dem bekanntlich der Balkan nicht die heilen Knochen eines einzigen pommerschen Grenadiers wert war. Das heißt im übertragenen Sinn für den Nahen Osten: Finger weg! Doch was macht die Bundesrepublik Deutschland?
Sie macht jeder Seite Geschenke. Bekanntlich werden den Israelis – mit dem Verweis auf deutsche moralische Verpflichtungen – starke Vergünstigungen bei der Anschaffung deutscher U-Boote gewährt. Andererseits ist Deutschland einer der größten bilateralen Geber für die palästinensischen Gebiete. Brisanterweise werden seitens der lokalen Behörden auch palästinensische Gefängnisinsassen finanziell unterstützt, sozusagen als Wertschätzung für terroristische Dienstleistungen.
Dabei soll dies keine grundsätzliche Wendung gegen ein deutsches Engagement im Nahen Osten sein – aber es muss Deutschland nützen. Ein Waffenverkauf nach Israel? Gerne! Solange deutsche Unternehmen daran verdienen und nicht der einfache deutsche Bürger dafür in die Geldbörse greifen muss. Deutsche Hilfe für palästinensische Autonomiebestrebungen? Gerne! Solange wir hier lebende palästinensische Asylanten rückführen können.
Der deutsche Staat schädigt sich und seine Schutzbefohlenen, indem er beiden Seiten Geschenke macht. Wieso sollte sich eine deutsche Politik dazu entscheiden in einen dauerhaften, da religiös aufgeladenen, Konflikt einzugreifen und dabei Verluste machen? Vorausgesetzt man will dort überhaupt tätig sein, sollte der eigene Vorteil im Fokus liegen. Dies würde nicht einmal unserem Ansehen dort schaden, sofern wir eines unabhängig des „Gönners“ besitzen.
Wenn zwei streitenden Parteien jeweils Geschenke gemacht werden, wird das Geschenk an den „Feind“, von der jeweiligen anderen Seite ebenso übel genommen, wie wenn beiden Opponenten die Möglichkeit eingeräumt würde, auf Gegenleistung beruhende Unterstützung zu erhalten. In beiden Fällen werden die Widerstreiter gleich behandelt. Im ersten Fall macht Deutschland Verluste, im zweiten erzielt es eigene Vorteile. Letztgenanntes Verhalten entspräche der bismarckschen Politik des Möglichen – der sogenannten Realpolitik.
Im Übrigen haben die USA ihre traditionell rigide Politik gegenüber den Iranern aufgrund neuer Enwicklungen wie dem Aufkommen der oben erwähnten IS-Terroristen, trotz des Missfallens des israelischen Verbündeten, gelockert. Der Wert eigenen Interessendurchsatztes bleibt konstant, dessen Umsetzung ist variabel.
Deutschlands historische Verantwortung
Angela Merkel befand am 18. März 2008 vor der Knesset, dass die Sicherheit Israels „Teil der deutschen Staatsräson“ sei. Auch Bundespräsident Gauck urteilte im Mai 2012 in Jerusalem: „Deutschland sollte das allerletzte Land sein, das Israel seine Freundschaft und Solidarität aufkündigt“. Was die „Freundschaft“ zwischen Staaten betrifft, soll der allgemeine Verweis auf die jüngste deutsche Geschichte genügen. Aber auch das Spiel Merkels mit der Staatsraison hat bedenkliche historische Parallelen.
So ist eine durch die Bundesrepublik garantierte, uneingeschränkte Sicherheit des Drittstaates Israel, durchaus vergleichbar mit der Ausstellung eines politischen Blankoschecks an Österreich im Vorfeld des Ersten Weltkriegs (was zugleich die endgültige Abkehr vom so erfolgreichen Bündnissystem Bismarcks bedeutete). Anstatt sich nun ganz von dieser romantisch-deutschen Nibelungentreue zu verabschieden, glauben unsere derzeitigen Eliten wohl, diese nur nicht mehr auf Österreich anwenden zu dürfen. Dabei bedeutet das Eintreten für die Sicherheit Israels, nicht aus der Geschichte gelernt, sondern lediglich die Vorzeichen politischer Einfalt geändert zu haben.
Die Israelis sind nicht „die Juden“, und schon gar nicht „unsere Juden“. Von einer historischen Verantwortung Deutschlands gegenüber „den Juden“ zu sprechen und die Verteidigung der Sicherheit Israels zu meinen, entspricht dem eindimensionalen „Kampf gegen Rechts“ – er kommt leider eine Lebensspanne zu spät.
Die Floskel von der historischen Verantwortung Deutschlands wird immer dann gezückt, wenn Deutschland zahlen und/oder den Mund halten soll. So verwundert es kaum, dass diese Worte nicht nur im nahöstlichen Kontext fallen, sondern auch von größten Europäern wie José Manuel Barroso im Mund geführt werden, wenn sie uns Deutschen die Welt der EU und deren Bedürfnisse näher bringen, wie im November 2013 in der Frankfurter Paulskirche geschehen.
Genau genommen ist „Deutschland“ niemandem gegenüber verantwortlich, wohl aber die deutsche Politik bzw. die deutschen Politiker. Diese sind unserem Staatswesen und unseren Bürgern gegenüber verantwortlich. In diesem Sinn hat Deutschland auch keine internationale Verantwortung, sondern internationale Interessen – gerade als ökonomisches Schwergewicht.
So betrachtet, wird Deutschland nicht primär durch die israelische Siedlungspolitik oder das Raketenfeuer der Hamas tangiert, sondern sekundär, durch das Einknicken verantwortlicher Politiker vor den Herausforderungen des Multikulturalismus hierzulande. Noch liegt es in unserer Hand, ob wir in französische Zustände abdriften. Gesellschaftlicher Frieden und innerer Ausgleich sind höchste Güter, die es wiederherzustellen gilt. Der aktuelle Nahost-Konflikt nimmt die deutsche Politik in die Pflicht, die Sicherheit der eigenen Bürger – gleich welchen Glaubens – zu gewährleisten, sowie Versammlungs- und Meinungsfreiheit und allgemeine Rechtsstaatlichkeit durchzusetzten.
Die historische Verantwortung der AfD
Es steht dabei außer Frage, dass jedem AfD-Mitglied eine Meinung zum Nahen Osten, insbesondere zu Israel zusteht. Eine Positionierung der Partei dazu, setzte diese aber politischen Risiken und Verpflichtungen aus, die möglicherweise in keinem Verhältnis zu den sich daraus ergebenden Chancen steht. Eine Positionierung unter expliziter Anwendung der moralischen Kategorie, so gut und ehrlich sie auch gemeint ist, würde über kurz oder lang zu Sprachlosigkeit führen und gestaltende Politik somit unmöglich machen.
Eine unter dem Vorbehalt echter deutscher Interessenvertretung pragmatische Nicht-Positionierung, bzw. einer Neutralität gegenüber beiden Konfliktparteien, beliese der AfD weiterhin größtmöglichen politischen Spielraum, ermöglichte eine vernunftgesteuerte, abwägende Argumentation und stellte im Angesicht aller anderen wesentlichen Parteien der Bundesrepublik, eine genuin alternative Haltung dar.
Für den Ost-West-Gegensatz, wie für den Kampf zwischen Israelis und Palästinensern gilt: Wir sind nicht verpflichtet das kleinere Übel zu wählen, denn wären wir das, würde es keine AfD geben. Mögen die Altparteien der raunenden „historischen Verantwortung Deutschlands“ nachgehen und nachgeben, so sollte es sich die AfD zur historischen Verantwortung machen Deutschland zu dienen.