Der Vorsitzende der Jungen Alternative Baden-Württemberg (JA-BW), Markus Frohnmaier, war am vergangegen Wochenende zu Gast bei einer internationalen Konferenz im umkämpften Osten der Ukraine.
Die Veranstaltung mit dem Titel „Donbass: Gestern, Heute und Morgen“ fand in der Stadt Donezk statt, die mit rund 1,1 Millionen Einwohnern als Hauptstadt der Oblast Donezk bis zum Ausbruch der Kämpfe zwischen Separatisten und Armee infolge des gewaltsamen Machtwechsels in der Ukraine ein wichtiges Industriezentrum des Landes darstellte. Sie war international hochkarätig besetzt: Unter den Diskussionsteilnehmern waren neben zahlreichen weiteren Politikern und Experten auch der der ehemalige Südtiroler Landeshauptmann (Ministerpräsident) Luis Durnwalder von der regierenden Südtiroler Volkspartei und die ukrainisch-stämmige Parlamentsabgeordnete Evgenia Ouzounidou aus Griechenland, die der regierenden Syriza-Partei von Ministerpräsident Alexis Tsipras angehört.
Thema der Konferenz war die Frage nach der Zukunft der Region vor dem Hintergrund des Abkommens von Minsk aus dem Februar 2015 (Minsk II), in dem zwischen den Konfliktparteien eine umfassende Waffenruhe, Pufferzonen, ein Gefangenenaustausch sowie die Überwachung der Frontlinien und der Einhaltung der Absprachen durch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vereinbart worden war. Die Veranstalter, zu denen unter anderem die französische Hilfsorganisation „Urgence Enfants d’Ukraine“ gehörte, hoffen auf ein Autonomiestatut, welches die spezifischen politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Eigenschaften der Region berücksichtigen und mit Minsk II kompatibel sein soll, das nach idealerweise zur Befriedung beitragenden Kommunalwahlen in den umstrittenen Gebieten und einer Dezentralisierung der ukrainischen Verwaltungsstrukturen die Wiedereinführung von Grenzkontrollen zwischen der Ukraine und Russland spätestens Ende 2015 vorsieht. Ziel sei es, so die Veranstalter, einen Weg zu Frieden und Freiheit in der Ukraine zu finden und die Spaltung Europas zu bekämpfen.
Als Vertreter der JA-BW konnte Frohnmaier seine Ansichten auf einer Pressekonferenz erläutern, auf der neben ihm unter anderem auch die Direktorin des Belgrader „Center for Geostrategic Studies“, Dragana Trifkovic von der ehemaligen serbischen Regierungspartei DSS, sowie der ehemalige griechische Vize-Ministerpräsident Simos Kedikoglou von der bis 2014 regierenden Nea Dimokratia zum Thema Föderalismus sprachen.
In seinem Redebeitrag erklärte Frohnmaier einleitend, er habe sich bis vor kurzem nicht vorstellen können, dass in Europa wieder Panzer rollen könnten, ganze Ortschaften zerstört und tausende Kinder um ihre Kindheit gebracht werden würden. Die am Vortag vorgenommene Besichtigung des von den Kämpfen nahezu völlig zerstörten Dorfes Stepanovka sei bedrückend gewesen, das Leid der Zivilbevölkerung im warmen Wohnzimmer in Deutschland kaum vorstellbar. Im Gegensatz zu anderen Diskussionsteilnehmern, die entweder eine komplette Unabhängigkeit der umstrittenen Gebiete oder – wie der Südtiroler Ex-Landeshauptmann Luis Durnwalder – eine Autonomie befürworteten, sprach er sich in Anlehnung an die Vereinbarungen von Minsk II für Dezentralisierung, Föderalisierung und letztendlich Regionalisierung als ein mögliches Mittel zur Befriedung des Konflikts und ferner, bezogen auf ganz Europa, auch als Gegenmodell zu einem immer stärker werdenden EU-Zentralismus aus.
„Ich glaube, wenn Sie mir diese Meinung erlauben, ein Bekenntnis zum Föderalismus und zur Region sind einer gewaltfreien Entwicklung vor Ort dienlicher als ein ewig Krisen-produzierender Zentralismus. Eine überregionale oder supranationale Zusammenarbeit sollte immer zweckgebunden sein und dem Bürger dienen. Sie darf nie zum Selbstzweck verkommen“, so Frohnmaier. „Der Erhalt unserer Identitäten garantiert uns Schutz vor totalitären und geschichtslosen Wahnvorstellungen und ist Grundlage für eine friedvolle und bürgernahe Gesellschaft. Ein Bekenntnis zur Region ist somit immer auch eine Verortung im geschichtlichen Raum. Ich würde mir für unsere gemeinsame europäische Zukunft wünschen, dass wir ausgehend von unseren regional oder national verwurzelten Identitäten ein gemeinsames europäisches Gefühl des Zusammenhalts entwickeln könnten. Gerade für die krisengeschüttelte Region des Donbass, aber auch für viele andere Regionen halte ich das im Sinne eines prosperierenden europäischen Kontinents für erstrebenswert.“
In diesem Zusammenhang wies er auch darauf hin, dass die Region eigentlich vom Export lebe, derzeit aber aufgrund des Konflikts keinen Zugang mehr zum Weltmarkt habe. Die wirtschaftliche Situation werde immer schwieriger und der wissenschaftliche Austausch etwa zwischen der Universität Stuttgart und der Technischen Universität Donezk sei abgebrochen worden, weil unter dem Eindruck der einseitigen medialen Berichterstattung Professoren über Nacht quasi zu Terroristen erklärt worden seien. Seinen Redebeitrag beendete er mit dem Wunsch, über die Weiterentwicklung des Kontinents zu einem Europa der Regionen blutige Konflikte wie im Osten der Ukraine zukünftig vermeiden zu können. „Die Zukunft unseres Kontinents hängt an den Regionen. Nur wenn wir sie in den politischen Fokus nehmen, werden wir es schaffen, unserem Kontinent und vor allem den Bürgern eine andere Politik anzubieten. Nur so können wir authentische und bürgernahe Politik gestalten und unserer Verantwortung für diesen großartigen Kontinent gerecht werden.“
Auch als Ausdruck der Hoffnung auf eine friedliche Lösung des aktuellen Konflikts fand abschließend an einem Donezker Mahnmal für die Opfer der Besatzung durch die Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg eine Kranzniederlegung durch die Teilnehmer der Konferenz statt.